Was ist mir Labyrinth
Unsicher beginne ich zu Gehen. Wohin wird mich der unbekannte Weg führen? Angetrieben von ständiger innerer Unruhe stelle ich erleichtert fest, dass ich mein Ziel nicht auf kürzestem Weg und in Bestzeit erreichen muss. Hier habe ich plötzlich alle Zeit der Welt, als würde sie sich ausdehnen und mir Platz machen für meine eigenen Erfahrungen. Ich spüre meine Füße beim Gehen, das Gras kitzelt, mein Atem wird ruhig.
Eine Wendung des Weges lässt mich die Richtung ändern. Wenn ich Umwege gehen muss, komme ich doch nie ans Ziel. Oder werde ich jetzt zurück geschickt und muss von vorn anfangen? Ist der Weg jetzt ein anderer? Vielleicht bin ich es, die sich ändert. Aufmerksam geworden gehe ich weiter. Ich lasse mich von außen nach innen und wieder nach außen führen. Meinem Körper kommt die hin- und her pendelnde Bewegung vertraut vor und so gewinne ich Vertrauen in meine Schritte. Ich weite mich, dehne mich in die Zeit, die still zu stehen scheint. Ein Windhauch berührt mein Gesicht, Lavendelduft verführt meine Nase, Bienen summen.
Meine Füße bringen mich in die Mitte, ich bin angekommen, bei mir. Ich dehne mich in den Himmel über mir und fühle tiefen Frieden. So wie als Kind, wenn ich unter meiner Hängeulme saß und mich geborgen wusste. Mit dieser Erinnerung im Herzen laufe ich leichtfüßig hinaus in die Welt, die mich mit dem Autolärm der Großstadt empfängt.
Angelika Kühn, September 2018